Brauchtum ist Heimat und Integrität!

Allgemein gehen wir davon aus, dass jedes Brauchtum schon sehr alt ist und immer da war. Das ist so aber gar nicht der Fall. Wenn wir uns Brauchtum in der Fastnacht ansehen, dann ist vieles noch recht jung und erst im 19ten oder 20ten Jahrhundert aufgekommen und etabliert worden. Brauchtum baut zwar oft auf historischen Wurzeln auf, aber es entwickelt sich immer wieder aufs Neue. Es wird interpretiert, es wird belebt und gelebt. Dabei ist Brauchtum immer auch ein Stück Identität und Heimat.

So auch die Holzmaskengruppe der FastNachtsFreunde des TV Rehau: Die „Rehauer Holzköpf“ bestehend aus weiblichen und männlichen Symbolvertreter, dies sind das „Rehauer Kartoffelweibla“ und der „Rehauer Knerz“.

Brauchtum und Identität im ländlichen Raum ist immer verbunden mit Geschichte und Geschichten. Dabei wird Identität oft transportiert über Bilder, Personen, die Mundart, Begebenheiten und Zuschreibungen, die sich um die Landschaft oder Gesellschaft drehen, oft auch beides. Mit Rehau verbindet man traditionell z. B. den Kartoffelanbau im Ortsteil Pilgramsreuth oder die Holzwirtschaft und der damit verbundenen Flößerei im Städtchen Rehau selbst.


Der Rehauer "Knerz" 

Traditionshintergrund zum Knerz

Die Rehauer mit ihren weiten Wäldern rund um die Gemarkung sind seit jeher bekannt für ihre im weiten Umkreis geflößten Schleißknipfel. Viel Wald, viel Holz und viel Arbeit ergeben einen guten Ertrag, wenn die Schleißen zur Kundschaft kommen. Die geschlagenen Bäume werden zerkleinert in kleinere und größere Schleißen, also Holzteile, die über Löwitz und Höllbach vereint im Mühlbach in Rehau und im Perlenbach dann über die Schwesnitz nach Wurlitz über Oberkotzau über die Saale nach Hof geflößt wurden. Hof war immer erfreut, wenn die Schleißknipfel an der Stadtgrenze eintrafen. Sie riefen: „Rehauer Schleißknipfel sänn do“. Mit der Zeit wurde der Begriff personifiziert und die Rehauer heißen im Volksmund noch heute die „Schleißknipfel“. Eine typische Figur war deshalb der Holzknecht, der die Arbeit verrichtete. Den Namen „Knerz“ fanden wir für unsere männliche Holzmaskenfigur sehr passend. Sehr stark, knorrig, urwüchsig, und fleißig sollte sie sein. Umgangssprachlich nennt man hier eine Verwachsung im Holz „Knerz“. Darunter fallen auch Auswüchse vom Holz, Maserknollen, Krummholz und Wurzelholz, womit wir auch einen Bezug zu unserem Narrenbaum setzen konnten. Er reckt sein Wurzelwerk stolz vom 11.11. bis zum Aschermittwoch gen Himmel und zeigt, wer jetzt das Sagen in der Stadt hat.

In früheren Jahren gab es einmal ein Café „Knerz“ und das Logo der Rehauer Werbegemeinschaft war eine gezeichnete Schleißknipfelfigur, der durch einen Wettbewerb den Namen „Knerz“ erhielt. Somit hat auch dieser Name seine vielfältige Tradition in Rehau.                                                                                                                                                     


Das Rehauer "Kartoffelweibla"  

Traditionshintergrund zum "Kartoffelweibla"

Pfarrer Mathäus Keppel, damals zuständig für Pilgramsreuth, brachte Ende des siebzehnten Jahrhunderts den Stein, bzw. die Geschichte der Kartoffel ins Rollen. Der Pfarrer klagte 1696 den üblichen Zehnt (10% übliche Steuer auf die Ernteerträge) schriftlich ein, den er auch für Getreide erhielt. Es wurden immer mehr Kartoffeln und weniger Getreide angebaut und so wurden die Einnahmen immer weniger. Da in den bisherigen schriftlichen Vereinbarungen nur eine Abgabe für Getreide vorgesehen war, weigerten sich die Bauern standhaft zu zahlen. Erst durch die Vernehmung der ansässigen Bauern stellte sich heraus, dass Kartoffeln bereits 1647 aus dem benachbarten, heute tschechischen Roßbach von einem niederländischen Offizier eingeführt wurden. Dies wurde durch das Protokoll festgehalten. So wurde der frühe, feldmäßige Anbau in Pilgramsreuth 1647 erst fünfzig Jahre später durch die Klage des Pfarrers aktenkundig. Das Kartoffeldenkmal mit einem Kartoffelbauer mit seinem Kartoffelweibla am Kirchplatz in Pilgramsreuth erinnert daran. Später bekämpfte der Klerus den Anbau der Kartoffel, da sie „sexuell höllisch erregend“ sei. So erntete das Kartoffelweibla sicher stets mit verschmitztem Schelm im Nacken diese Ärpfl.

Karge Böden, raue Klimaverhältnisse ähnlich wie in der südamerikanischen Gebirgsregion ließen diese Erdfrüchte schließlich auch in den Gärten der Bürger gut gedeihen und waren von einem gesunden Speiseplan bis heute nicht mehr wegdenken.

Die Stadt Rehau verleiht noch heute an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens „Die goldene Kartoffel“. Erdärpfl haben also eine lange Tradition und somit auch das Kartoffelweibla, das fleißig, gescheit, schelmisch und ein guter Geist sein soll.